
zurück
Bücher
Abgeschaltet
Roman
Besteht die Liebe
Anthologie Lyrik & Prosa
liebe deine feinde
Anthologie Lyrik & Prosa
Liebe
Anthologie Lyrik
Freiberger Lesehefte
Nr. 7 - worte & bilder
Anthologie Lyrik & Prosa
Jahresring 2002
Anthologie Lyrik & Prosa
Nun lacht er wieder
Anthologie Lyrik & Prosa
Flügellandüber
Ferne Nähe-Nahe Ferne
Anthologie Lyrik & Prosa
Spaziergang
durch das Jahr
Gedichte
Es war einmal
Kurzgeschichten
Tage und Nächte und das was
dazwischen liegt
Gedichte
Kurzgeschichten im Internet
|

Ilona R.Mayer
Abgeschaltet - Roman
Kontrast-Verlag
1. Ausgabe Oktober 2004
ISBN 3-935286-47-3
Preis: 9,90 EUR
www.kontrast-verlag.de
Inhalt:
Angelika, genannt Geli, arbeitet in einem VW-Werk in Ostdeutschland,
Michael, ihr Mann, ist Sänger an der Semperoper. Als Geli ihn
überraschend zu einer Premiere besucht, entdeckt sie eine
jüngere Kollegin an seiner Seite. Michael kann sie beschwichtigen,
doch als sie Michael kurze Zeit später beim Gruppensex erwischt,
muss er ausziehen. Geli gerät zwischen ihre bisexuelle Freundin
Carmen, einen Cellisten, Michaels Bruder Eberhard und ertränkt
ihren Kummer schließlich im Alkohol. Beim Chatten im Internet
lernt sie Stefan kennen. Sie erzählen sich aus ihrem Leben und von
ihren gescheiterten Beziehungen. Dadurch kommen in Geli wieder
Erinnerungen an ihre Kindheit, die Jugend und das Leben in der
ehemaligen DDR hoch. Damit einhergehend reflektiert sie auch, was sich
nach der Wende für die Bürger der DDR geändert hat -
für sie hauptsächlich, dass die Geborgenheit verloren ging.
Ein Beziehungs- und Alltagsdrama um Trennung und Neuanfang in
Ostdeutschland
Auszug:
Von der Garage bis zum unserem Wohnblock brauche ich zwei Minuten,
heute ist es kälter als an den letzten Tagen, es wird Herbst.
Michael's Jacke hängt im Flur, ich vermisse die stürmische
Begrüßung von früher. Manchmal nach drei Tagen Trennung
fielen wir übereinander her, hörten nicht auf uns zu
küssen bis kein Kleidungsstück uns mehr trennte. Ich kann
mich nicht erinnern, wann Michael zum letzten Mal verlegen mit einem
Strauß Blumen hinter seinem Rücken vor mir stand. Obwohl wir
weniger streiten habe ich nicht das Gefühl, dass wir besser
harmonieren. Beim Auskleiden im Flur sehe ich ein abgespanntes Gesicht
im Spiegel. Meine Haare sind im Sommer heller geworden. Michael liebt
lange blonde Haare und schlanke Frauen. Mein letzter Friseurbesuch im
Frühjahr, war ein Reinfall, inzwischen sind sie gewachsen und die
rote Tönung verschwunden. Warum empfinde ich die fünf
Kilogramm, die ich in den letzten beiden Jahren zugenommen habe, heute
so furchtbar?
Ich muss etwas ändern, eine Diät, neue Klamotten und
vielleicht eine Dauerwelle? Der Fernseher beschallt das Wohnzimmer, ich
möchte Michael umarmen, tue es dann doch nicht:
"Guten Abend Michael, du bist ja schon da?"
"Soll ich wieder gehen?"
"Was ist denn los?"
"Was los ist fragst du? Dann schau doch bitte mal auf die Uhr!"
Er hat Recht, es ist spät geworden. Ich erzähle Michael vom
Streik und dann von seinem Bruder. Er rastet aus:
"Ach, hinter meinem Rücken!"
"Quatsch, es hat sich ergeben, und außerdem er ist dein Bruder,
verdammt noch mal, kannst du ihm denn nicht endlich verzeihen?"
Während ich versuche Eberhard zu verteidigen rollen dicke
Tränen über mein Gesicht, dann bin ich still, will nur noch
duschen und den Tag abspülen, der mir nicht viel Gutes gebracht
hat. Michael kommt ins Bad, legt das Handtuch um meine Schulter und
bittet mich zu verzeihen. Dann küsst er mich, lang und
zärtlich. Zwei Tränen sind unterwegs, dann spüre ich nur
noch seine zärtlichen Hände, die mich ins Schlafzimmer
tragen.
Der Kaffeeduft kommt bis an mein Bett geflogen, Michael streicht mir
die Haare aus dem Gesicht und küsst mich auf die Wange:
"Kommst du frühstücken?"
Seine braunen Augen lachen mich an, schnell hüpfe ich aus dem
Bett, nachdem ich die Zähne geputzt und die Katzenwäsche
hinter mir habe, sitze ich mit Leggins und Pulli am Tisch. Michael
serviert uns Spiegelei. Ich habe nicht bemerkt, dass er beim
Bäcker frische Brötchen geholt hat. Ich liebe warme
Brötchen, und höre trotzdem nach dem zweiten auf.
Michael´s Haare sind wieder etwas länger, er spricht vom
Friseur, ich argumentiere dagegen. Seine Arme sind brauner als meine,
und das offene hellgrüne Hemd zeigt dunkle Haare auf seiner Brust.
Diese goldene Kette, die ich ihm zum zehnten Hochzeitstag geschenkt
habe, trägt er täglich. Manchmal glaube ich, dass Michael den
Schmuck mehr liebt als ich. An mir ist, außer dem Ehering, kein
silbernes oder goldenes Teil zu finden. Im Schrank liegen drei Paar
Ohrstecker, mehrere Ketten, und Fingerringe, auch eine Uhr, in Form
eines Armreifens, Michaels Weihnachtsgeschenk. Ich trage die Uhr in der
Oper oder auch mal wenn wir Essen gehen, meist vergesse ich sie jedoch.
Die Abendkleider, die mir Michael zu meinen Geburtstagen schenkte ziehe
ich selten an, und wenn dann ihm zu liebe. Michael ist immer perfekt
gekleidet, er trägt oft einen Schlips, fast ausschließlich
Hemden und nie eine Jeans. Sein Gewicht hat sich etwas verändert,
auf alten Fotos sieht er dürr aus gegen heute. Er ist nicht zu
dick, den kleinen Bauch kann er noch verstecken, besser als ich meine
breiten Hüften und die kräftigen Beine. An Bikini ist nicht
mehr zu denken, obwohl ich den schon früher nicht gern trug.
Nach dem sehr ausgiebigem Frühstück gesteht mir Michael, dass
er morgen zurück nach Dresden muss. Erst will ich protestieren,
mich aufregen, was ich innerlich auch tue, dann versuche ich doch ruhig
zu bleiben, erkläre ihm, dass ich die Eltern besuchen wollte. Als
er mich bittet zu diesem Fußballspiel mitzukommen und am Abend
mit ihm Tanzen zu gehen, stelle ich meinen Plan um. Ich kann ihm nicht
mehr böse sein, als seine Augen mich flehend anschauen und seine
Lippen die meinen suchen.
Früher hätte ich das so nicht hinbekommen, seine Reisen haben
mich oft aus der Rolle fallen lassen, hysterisch warf ich
Gegenstände durch die Wohnung, manchmal schrie ich ihn auch an.
Aber das Schlimmste war, diese Eifersucht, die Angst, dass er mich
nicht mehr liebt.
Zufrieden mit mir selbst, dass ich mich viel besser im Griff habe als
früher, lasse ich ihn am Sonntag morgen nach dem
Frühstück fahren. Am Fenster winke ich ihm noch, als er in
seinen Mercedes einsteigt, er liebt schnelle und große Autos.
|