Zu
leben und dabei am Leben zu bleiben
zu : Barbara Lorenz :Abrabarbara :Gedichte, poetische Texte
und Zeichnungen
Nürnberg: Ed. Knurrhahn, 1999
Der Tag sieht anders aus, wenn man sich ABRABARBARA -Gedichte
vornimmt, sie liest, sie in sich nachklingen läßt.
Klingt ABRABARBARA nicht schon ein wenig wie Zauberei?
Blütenstaub vergoldet die Wege(S.24), Wunderträume rinnen
durch die Stuben(21), Äste tanzen. ‘Tanze ich durch das Schilfmeer
meiner Tage und Nächte'(S.50)
Ist es Zufall, daß so viele Verse vom Tanzen handeln?
Kein würdevolles Schreiten, aber auch kein Hetzen, kein
Laufen um irgendeinen Pokal, keine Geschwindigkeiten um 120 km/h, die
am Wegrand liegende Schätze nicht wahrnehmen lassen("Wanderer, am
Wegrand liegen die Schätze")
TANZ
Fast beschwörend klingt es:
"Bewege deine Hüften: Schwung! Tanz!
Kreise! Gebäre Lachen! Sei bunt!(81)"
Nahezu ebenso häufig wie Tanzen begegnet uns das
FLIEGEN, REITEN, GLEITEN und SCHWEBEN
, .:
Beim Lesen spürt man die rhythmische Veränderung.
‘Auf dem Kreidefelsen meines Lebens
sitze ich und blicke ins Blaue-weit
ist mir die Ferne- im Täglichen
bin ich Marmor und stumm
gelähmtes Sein-aber
im Traum
breite ich große Schwingen
und fliege mühelos
über alle Horizonte
hinweg fallen Last
und Leid und Angst
holt mich nimmer ein
Gleiten und Schweben ist
das Vorwärtskommen!
-bis der Tag mich greift
falle ich nicht.
Marmor ist Metapher für den Alltag. Stillstand. Alltag,
das bedeutet: ‘Regeln, weg von den Feldern der Freude, fade
Verrichtungen tun von früh bis spät.' Es bedeutet: "Abends
beim Zubettgehn fragen/ Was war das eigentlich?" Aber dem
täglichen Einerlei läßt sich etwas abgewinnen: ,Jeder
Tag ist einzigartig"(79)' ‘Alltag ist All-Tag.'
Über das Negative des Alltags hinaus geht der Blick in die
leidvolle Seite der Welt. Die "Weltausstellung "von Barbara Lorenz hat
keine Ähnlichkeit mit der in Hannover . Ausgestellt werden
u.a.:"Die brennenden Wälder/die zerbombten Häuser/ Rebecca
vor den Toren/ der Vergangenheit/ Jugendliche mit Springerstiefeln/ und
Oma K.mit/eingefallenen Wangen/ und gebrochenem Blick."
"Hinaus! / Hin!/Aus/ Auf die See!" Starfish*
Seastar*Fishfish*- Netzqual! Man kann sich ihn, den Fisch ,in
einer ornamentalen Grafik ansehen.(18)
Aber . Der Drang nach Draußen, die Dynamik des Wegwollens wird in
den Versen deutlicher.
"Öffnet die Reusen!
Tut auf die Schleusen!
Fisch muß schwimmen,
Quecksilber schimmern.
Haltet ihn-?
Ihr haltet ihn nie"
Der Fisch wird Zeichen für jede Art von Gefangensein und
für das Drängen, dieses Gefangensein, das ‘Netz', zu
durchbrechen.
Bei aller ‘Sehnsucht' nach der Weite, dem anderen weniger engen
,weniger begrenzten Leben, das auch einmal in Amerika lokalisiert sein
kann(42)- zeigt uns Barbara Lorenz:, daß dieses andere Leben oft
ganz nah ist. Nötig ist nur der Leitfaden, die
Wünschelrute, der Zauberstab, um das, was uns das ‘Am Leben
bleiben' möglich macht, wahrzunehmen..So kann uns die ‘gute Stube
am Marktplatz', das heimatliche Gasthaus um die Ecke, wieder freier
atmen lassen.
Aber immer wieder kommen Blumen ins Blickfeld, Pflanzen, auch
Schmetterlinge, das Naturgeschehen in den verschiedenen Jahreszeiten.
Verse werden durch ornamental verfremdete Zeichnungen
ergänzt. Das Bildhafte zeigt sich nicht weniger in
Wortfügungen wie: ‘Eiskristalle & wie sie schmelzen"
"Donnergrollen & andere Naturschauspiele" -Hier handelt es sich um
Kapitelüberschriften.
Tanzen, schweben, reiten, träumen, gleiten, wahrnehmen,
fühlen, SEHEN , BaLo gibt uns - ebenso wie Eichendorf die
Wünschelrute an die Hand , um uns zu zeigen, daß die Welt
dann anfängt zu singen, wenn man ‘nur' das Zauberwort trifft.(1)
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(1)Wünschelrute
Schläft ein Lied in allen Dingen,
die da träumen fort und fort,
und die Welt hebt an zu singen,
triffst du nur das Zauberwort
aus. ‘Von Wald und Welt' Josef Freiherr von Eichendorff
Gedichte und Erzählungen , München=Ebenhausen und Leipzig
1909, S.57
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