Auch
im dritten Band der Reihe „Wolfgang Hohlbeins Schattenchronik“geht es
um die Suche nach der Vergangenheit, um Aufklärung von Weg
und Bestimmung der Vampirin Dilara. Gesucht wird eine
Teilabschrift des Codex Vatikanus, die u.a. auch Hinweise auf Dilaras
Vergangenheit enthalten soll.Auftraggeber ist Antediluvian, den
wir als Herrscher der Vampire bereits aus den vorangehenden Bänden
kennen. Ausgangspunkt der Handlung: das Avignon des Jahres 1883.
Das Besondere des Buches liegt
u.a. darin, dass die Vampirin Dilara dem Leser zunehmend
vertrauter und ‚menschlicher‘ wird. Zwar hat sie 'Lust' daran, andere
im Gedränge zu verletzen und „natürlich“ tötet sie nicht
gerade mit Widerwillen, ist undankbar, aber sie besiegt den
Tötungstrieb bei denen, die ihr nahe stehen
Sie kann sich auf ihren Diener, den kleinwüchsigen, über vielerlei Wissen verfügenden Mann aus Padua mit Namen Cippico verlassen und er auf sie. Ganz ungewöhnlich für das Verhältnis des Dieners zu seiner Herrin ist, dass er, der Diener, in gewisser Weise Macht über ihre Erinnerungen hat, dass er ihre Traumreisen steuert, dass sie also bis zu einem gewissen Grad von ihm abhängig ist. Auch bei der Darstellung des
Verhältnisses zwischen Dilara und der Rosenkreuzerin
Gelophee Roche überwiegt das Menschliche. Da beide das
erwähnte Manuskript suchen, dabei aber aufeinander angewiesen
sind, muss einiges an Misstrauen überwunden werden, und zwar von
beiden Seiten. Letztendlich 'siegt' die gegenseitige Zuneigung und das
füreinander Eintreten. Die Vampirkräfte haben keine Chancen.
Alle Handlungsträger
agieren in einer konkret fassbaren Zeit und an konkret fassbaren
Orten: Avignon, Genua, La Specia, Rom- Städte, die die drei
Protagonisten auf ihrem Weg aufsuchen, um den Auftrag – die Suche
nach dem bestimmten Manuskript- zu erfüllen. Der Autor spricht im
Nachwort von Recherchen, um ein Höchstmaß an Lebendigkeit zu
erreichen. Er – fahren: Das Fahren, das Reisen in der zweiten
Hälfte des 19. Jh.‘s, die Aufenthalte in den genannten
Städten nimmt einen großen Teil der Handlung ein. Zwar
wird das Ziel nicht aus den Augen verloren, aber man hat den Eindruck,
dass das Verweilen kein Aufhalten ist, das das Weitermüssen
lediglich unterbricht. Es ermöglicht vielmehr eine intensive
Erfahrung von Stadtimpressionen, von Bahnhofs- und Reiseimpressionen
überhaupt. Da ist vom Schnaufen der Dampflock die Rede, von
süßlichen Gerüchen, von rollenden und donnernden
Schiebetüren...
Man sieht sich an ein Gedicht Giosué Carduccis erinnert, Lyriker Nobelpreisträger 1833-1907: „Auf dem Bahnhof an einem Herbstmorgen“. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass jedes Kapitel mit einem Zitat aus dem Werk Caruccis beginnt. Wenn von Reisen gesprochen wurde, ist, dann dürfen die Traumreisen oder Mentalreisen, die Trancezustände Dilaras nicht vergessen werden. Besonders hier kann sich der Leser in „geschauten“ Stadtlandschaften verlieren, die an phantastische Architekturvisionen G.B. Piranesis oder D. Monzus erinnern. Auch die Illustrationen Pat Hachfelds, die eigentlich mehr sind als Illustrationen, stehen in dieser Tradition. Fazit: Das Buch spricht insbesondere die Leserinnen und Leser an, die Sinn und vielleicht auch Geduld für eine differenzierte, ausführliche Darstellungsweise haben.und die die Perlen der bilderreichen zum Teil rhythmisierten Sprache Marc Alastors E. – E. aufzunehmen verstehen. |