Norbert  Sternmut

Nachtlichter

Ludwigsburg  2010

Einige Worte von Marlies Eifert

Wer kennt es nicht: Das Fräulein, das sich so sehre nach dem Sonnenuntergang sehnt(1) und danach vom Dichter (Heinrich Heine) auf den Boden der Tatsachen zurück geschickt wurde:

Dieses Fräulein würde in dem Gedichtband von Norbert Sternmut ‚Nachtlichter‘ nichts finden, was ihm gefallen könnte: keinen blauen Himmel, keine laue Luft, keine goldene – Pardon: - güldene – Sonne etc.
Was sollte es denken, wenn es, das Fräulein, zu lesen bekäme, dass  das ‚Nichts im Weltmeer schwamm‘ (S.36) oder wenn plötzlich  in einem Gedicht eine herunter rollende Denkschale  den Weg kreuzte? (S. 21)

Während das Fräulein bei dem, was es wahrnimmt, einiges ausspart(Unglück, Ungereimtheiten etc.), schaut Norbert Sternmut genau hin.  Er benennt ihn: den Unterdrücker der Magengegend, weiß um die Darmschlinge(S.9), die aufmuckt, bevor das ‚Wegfinstern‘ (eine imposante Wortschöpfung! )  angesagt ist.  Er weiß  um vieles, erinnert sich an manches –auch aus seiner Kindheit. Einer Kindheit, in der ‚Asseln der Schwarzkohlen schwarzselig‘ eine Rolle gespielt haben.

So herrschen in dem Lyrikband offensichtlich die düsteren Kapitel vor.

Aber nicht vergessen sollte sein, was das Buch verspricht:  NACHTLICHTER. Immerhin ist von Lichtern  die Rede, die  aus der Folie der Dunkelheit heraus leuchten.  So sagt es das Deckblatt.

Lichter im Spielkasino. Las Vegas, Los Angeles. Sie werden zum Hintergrund(pardon: ‚background`) für eine Schöne, die auf den Tischen tanzt. (S.7)

Lichter am Himmel, am Sternenhimmel.  Der Begriff ‚Sternenhimmel‘ setzt Assoziationen frei: gemüthafte Assoziationen von Sternen, die am Himmel stehen und die von ‚Gott dem Herrn‘ gezählt werden.  Was jedoch  ist nach Norbert Sternmut aus diesen Sternen geworden, wenn man den Büchern über den Weltraum (S. 10) glauben darf?

Sie mutieren zur 'elektrischen Ahnung'.

So wie Heinrich Heine das Fräulein am Meere auf den Boden der ‚Tatsachen‘ zurückholt, tut dies Norbert Sternmut mit seinen  Lesern. Die gemüthaften Assoziationen sind Schnee von gestern.
Schade eigentlich, wenn ich ehrlich bin.

Noch eine Überlegung in dem Zusammenhang.  Norbert Sternmut benutzt es noch: das Wort Sternenhimmel. Er sagt nicht: da oben (wobei von 'oben ' ja nun eigentlich keine Rede mehr sein kann)  nehme ich elektrische Ahnungen wahr. (S.10) Nach Heidegger ‚spricht die Sprache‘. Sie hat so etwas wie eine eigene Dynamik. Und so lange  es das Wort Sternenhimmel gibt,  solange es gebraucht wird, besitzen wir den Sternenhimmel, diese Art von Himmel…

 

Mit Novalis ‚Hymnen an die Nacht‘ wenden wir uns gemeinsam mit Norbert Sternmut  dem Tag zu.  Zwar preist Novalis den Tag, aber er sieht auch dessen  Oberflächlichkeit:

`Wie arm und kindisch dünkt mich das Licht Mit seinen bunten Dingen‘

Norbert Sternmut sagt nicht, dass das Licht ‚kindisch‘ sei, spricht nicht von ‚bunten Dingen‘.  Vielmehr sieht man  ihn ‚angekettet im Warenhaus des Alltags, dem Wurmfortsatz des Seins(S. 13)‘  Das Warenhaus, die Fußgängerzone - Symbol für die Oberflächlichkeit des Tages, des Lichts?

ABER:

Die Krankheit, der Kampf gegen die ‚wuchernden Zellmonster‘  gibt den Blick frei auf ‚Sommerspiele, als gäbe es Zukunft und Aussicht‘(S.17) Sommerspiele spielen sich am Tag ab. Und sie werden als etwas Schönes gesehen. Eine unbekümmerte Jugend kommt ins Blickfeld, das tausendfache Getriebe vor den Schaufenstern (17) .

Da gibt es auch den ‚Sommer einfach‘(S.50)

‚Den ganzen Sommer
 will ich dir schenken
mit offenem Herzen

einfach so.‘

 

‚Einfach so‘-  möchte ich die Betrachtung schließen und  weitere stern –mutige   Lyrik und Prosa erwarten.

(1)

Am Meer

Heinrich Heine

Das Fräulein stand am Meere

Und seufzte lang und bang,

 Es rührte sie so sehre Der Sonnenuntergang.

 

‚Mein Fräulein, sei’n  Sie munter,

Das ist ein altes Stück;

Hier vorne geht sie unter

Und kehrt von hinten zurück.‘