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Welten voller Hoffnung

Hrsg: Barbara Jung und Olaf Brüschke
BeJot SF ISBN: 3-934582-11-7
Preis: 13,00 
 

Welten voller Hoffnung

"Jedes Schulkind weiß, dass Adam der erste Mensch war. Wenn man jedoch glaubt, Eva sei seine erste Frau gewesen, latscht man bereits mit beiden Füßen über den Holzweg.
Adams erste Frau war nämlich nicht Eva, sondern Lilith. Und Lilith war auch nicht von Gott erschaffen worden, sondern von Adam selbst. Außerdem hat er sie sich nicht aus den Rippen geschnitten, sondern ließ lediglich seinen Samen auf die Erde fallen.
Lilith wurde also aus Adams Samen und dem Leib der Erde gezeugt. Äußerlich war sie von einer normalen Frau nicht zu unterscheiden, und ich vermute insgeheim, dass sie um Klassen besser war als die gute Eva. Was man schon daran sehen kann, dass er mit Eva nur zwei Kinder zeugte, Lilith aber nach sechs Äonen der Schwangerschaft sechs kerngesunde Kinder gebar.
Man ahnt schon, was jetzt kommt: Als Gott davon Wind bekam, verbannte er Lilith und ihre Brut aus dem Paradies.
... So hätte es bis in alle Ewigkeit weitergehen können, wenn Eva nicht den bekannten Riesenärger angezettelt hätte, der zur Vertreibung aus dem Paradies führte. Im Rahmen dieser groß angelegten Haushaltsauflösung -
Pflanzen, Tiere und sonstiges Inventar wurden ja ebenfalls auf der Erde
angesiedelt - verzogen sich die Nachfahren von GHL und KHT allmählich ins Innere der Erde",
so erklärt unser Hauptdarsteller Sumner dem Pfarrer Alois Wieklepp die
Schöpfungsgeschichte und damit die Erzeugung der Ghoule.
Jürgen Heinzerling, als Autor dieser in Ich-Form geschriebenen, rasanten und witzigen, aber nachdenkenswerten Geschichte, ist nur einer der vielen Autoren, der über 30 Stories und Gedichte die in diesem Band enthalten sind.

Bereits die ersten paar Seiten in der ersten Geschichte der Sammlung,
bringen die menschlichen Gedanken und Abgründe zum Vorschein. Der Held muß mit seinen kleinlichen und selbstsüchtigen Gedanken fertig werden, die jedem mal durch den Kopf gehen. Und sein Verhalten wird wohl eher auf
Unverständnis stossen während nur der Leser ihn versteht. Jedoch hat Karl E. Aulbach seine Geschichte so faszinierend aufgebaut, dass erst mit dem Schlußsatz die Bedeutung offenbar wird.

Überhaupt ist dies ein Merkmal dieser aussergewöhnlichen Anthologie. Mit erhobenem Zeigefinger werden die Ausschweifungen und Fehler der Menschheit aufgezeigt, welche oft zu verheerenden Auswirkungen führten. Nicht selten
spielt die Geschichte nach dem "Weltuntergang". Doch immer wieder bleibt ein Hoffnungsschimmer. Sei es in Form von verschollenen Pflanzen oder einfach nur in menschlichen Hoffnungen. Oder wie in Alisha Bionda's Kurzgeschichte "Begegnung im Garten Eden", wo erneut erst im Schlußsatz der vermutete Traum zur Wirklichkeit wird. Während einige der Autoren die Zukunft beschreiben, findet sich bei Corina Bomann in "Logbuch" ein Hinweis für unsere Vergangenheit. Jedoch macht auch sie damit auf unsere Zukunft aufmerksam.
Denn wie die Vergangenheit, so die Zukunft.

Alle Geschichten haben eines gemeinsam: ich konnte sie nicht nur lesen und das Buch zur Seite legen, sondern ich mußte darüber nachdenken. In jeder Geschichte steckt ein wahrer Kern. Es ist kein Roman, der sich flüssig und voller Spannung liest. Jede einzelne tiefgreifende Storie lies mich innerlich schauern und zwang mich über unser Dasein, unsere Zukunft und eben auch unsere Vergangenheit nachzudenken. Keine lockere Kost. Kein Roman den man in einer Nacht verschlingt. Nach jeder Geschichte ist man gezwungen eine Pause einzulegen. Den Blick auf die Dinge zu wenden, die einem umgeben. Man wird sich das eine oder andere bewußter Anschauen und auch über vieles bewußter nachdenken.

Wie sagt es Barbara Jung so treffend im Schlußsatz Ihrer Geschichte: "Wir müssen uns sehr gut überlegen, was wir tun wollen."

Eine Sammlung von Geschichten und Gedichtern hochmotivierter deutscher Autoren, die mit viel Einfühlungsvermögen jeweils mögliche Zukünfte schildern. Sehr zu empfehlen. Ganz besonders Lesern, die ab und zu ein kleines Häppchen in Form einer Kurzgeschichte zu sich nehmen wollen.
 

Roland Weiß im August 2002