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Die Wahrheit der Wirklichkeit der Wahrheit

Norbert Sternmut:' Marlies'

Ist 'Marlies' ein Kriminalroman?  Ja, wenn man danach geht, was alles in einen solchen hinein gehört. Bestimmte Standardgrößen, Topoi sozusagen. Oder man kann auch sagen: Ladenhüter aus der Klamottenkiste des Kriminalromans. Ein Inspektor beispielsweise, der ein geordnetes Familienleben führt, zwei Kinder hat und der seine 'Arbeit' tut. Eine Arbeit, bei der er mit allem rechnen muß. Da gibt es natürlich unaufgeklärte  Morde  und Verdächtigungen. Und nicht zuletzt  Spannung!  Ja, auch Spannung.  Dazu Motiv- Spurensuche...Sex and crime...
Aber wenn man die Handlung erzählen würde - man könnte es durchaus tun, ohne viel zu verraten -, hätte man kaum einen Zipfel der  Wirlichkeit des Romans erfasst. Von der Wahrheit sowieso ganz zu schweigen. Der Kommissar entscheidet sich - vor die Frage gestellt, ob er es vorzöge,  weiter zu leben oder die 'Wahrheit' zu erfahren, für die Wahrheit. Wahrheit, das bedeutet für ihn die Antwort auf die Frage: Wer war der Täter?
So wie der Kommissar sich an Normen, die dem Berufsbild des Kommissars entsprechen, ohne sie zu hinterfragen, orientiert, orientiert  sich die Frau des Schriftstellers an den Wirklichkeiten der Hausfrau und Mutter. Fast scheint es, als seien die Figuren Marionetten mit festgelegten Handlungsmustern.
Solche festen Vorgaben in bezug auf Handlungsmuster fehlen für den Schriftsteller(Figur des Romans), der die Fäden in der Hand hält. Er erfindet die Figuren, kann sie nach Gutdünken verschwinden lassen, aber er hängt seinerseits am Faden oder 'in den Fängen' seiner Geliebten Marlies.
Marlies ihrerseits weist es weit von sich, Marionette zu sein. Sie setzt alles daran, sich nach eigenem Willen eine Welt zu schaffen. Eine Welt als Wille und Vorstellung, lebt nach eigenen Regeln, die, vorsichtig ausgedrückt, nicht immer sozialverträglich sind.

Manchmal allerdings taucht der 'Dichter' hinab in den Wirklichkeitsbereich der Ehefrau. Und er muss immer wieder feststellen, dass dies nicht seine Wirklichkeit ist. Der existentielle Konflikt zwischen der Welt seiner Frau und der der Geliebten Marlies ist vorprogrammiert.
 
Was liegt hinter der Wirklichkeit  von Marionettenwesen, die sich clichéhaft mit festgelegten Handlungsmustern in der Welt bewegen? Eine Wahrheit, so ließe sich vielleicht sagen, die lediglich mit einem Feuerwerk aus Absurditäten umschrieben  werden kann.

erschienen 2003 im Wiesenburg-Verlag, Postfach 44001, 97412 Schweinfurt
ISBN 3-932497-89-9
Das Buch kann u.a. bei
http://www.buchrezicenter.de

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