Vorwort Vorbilder - und das in der heutigen Zeit?! Während des Entstehens des Buches änderte sich selbst meine Meinung über Vorbilder, und das nicht erst nach bzw. während des Schriftwechsels mit Durs Grünbein, der diesem „Titel" ausgesprochen skeptisch gegenübersteht. Ich selbst montierte schon oft ein Vorbild vom Sockel herunter, bin aber nicht „kleinzukriegen" im Wissen um Vor-Bilder, Muster, Ideale, Beispiele oder eine Richtschnur. Die Lehre zum Lehrmeister, das Modell zum Model, das Leitbild zum Leuchtturm, das Beispiel zur Überzeugung, die Pflicht zur Kür... ... wenn es denn so wäre, wenn es denn so sein könnte! Die Autorinnen/Autoren versuchen in diesem Buch Menschen zu beschreiben, die etwas Besonderes geleistet haben und dadurch in ihren Augen den „Status" Vorbild bekamen. Ich bin überrascht, wie klar die publizierten Vorbilder oder die Abgrenzung zu ehemaligen Vorbildern beschrieben wurden. Es bleibt jedem Leser - und jedem Menschen - überlassen, sich ein Vorbild zu schaffen, an das zu glauben nur er alleine sich ein Recht verschafft. Ein Vorbild, das dogmatisch auferlegt wird, kann keines sein. Der Mensch, der sich vorbildlich verhält, würde sich nie als Vorbild manifestieren (lassen). Wir wollten in diesem Buch auch keine der üblichen Viten skizzieren oder wiedergeben, die überall nachzulesen sind, sondern das Interesse wecken, die Spur eines Menschen aufzunehmen, der uns anspricht und eigene Erkenntnisse erwerben, warum er uns anspricht. Sie können sich im Verzeichnis der „Beiträge über - von" Ihre Vorbilder heraussuchen und im Au-tor/innen-Porträt (am Schluß des Buches) nach den Verfassern suchen. Ich denke, daß es von Interesse ist, neben den Trümmerfrauen, einer Freundin oder eine Kollegin Berühmtheiten zu finden, die uns selbst schon ein Stück des Lebens begleitet und bereichert haben. Daß ich Else Lasker-Schüler und Durs Grünbein im Untertitel benannte, möchte ich wie folgt erklären: Ich bin Gründungsmitglied der „Else Lasker-Schüler-Gesellschaft"; und natürlich lege ich allen Leserinnen und Lesern ans Herz, Mitglied dieser Gesellschaft zu werden (lesen Sie: „Wir über uns" am Ende des Buches). Durs Grünbein ist - so meine ich - im „Ein alter Tibetteppich" verwirkt als Vertreter der schönen Sprache dieser Zeit, als „Enkel" der Else, als Mann der heutigen Zeit und Lamasohn. Und er wohnt in Berlin. Ich empfehle den Leser/innen und Autor/innen, weiterhin die Nähe ihres Vor-Bildes zu suchen und dem ersten Schritt den zweiten zum besseren Kennenlernen folgen zu lassen. Der Liebe auf den ersten Blick genügen keine Anfangserfolge. Es muß ja nicht immer daneben gehen! Ich weiß, es ist sehr schmerzlich, zu spät zu erkennen (ich zitiere Durs Grünbein): „Erst hängt das Vorbild über dem Schreibtisch, dann - zur Strafe - an der Toilettenwand, und schließlich wirft man es bei Einbruch der Dunkelheit in den nächsten Müllcontainer. Vorbilder schreien danach, beseitigt zu werden (Zitatende)". Ich selbst habe diese schmerzliche Erfahrung mehrmals gemacht. Trotzdem, trotzdem finde ich immer und überall etwas, das mich anspornt, bewegt, rührt und so nachdenklich macht, daß es nicht ohne Wirkung für mein Tun ist. Dieses - ich nenne es einmal: Geschenk nehme ich gerne an; ob es ein Kind schenkt oder ein weiser Mensch. Ich bin dankbar, denn ohne die Begleitung vorbildlicher und die Erfahrung mit enttäuschenden Menschen wäre ich und bliebe ich unwissend! Am Wissen aber kann ich hochranken... Ihre Waltraud Weiß |