Alfred Büngen

Sehr geehrte Gäste, liebe Marlies Eifert und lieber Georg Eifert

zur Premiere der ‚Tunnelfahrten‘ des ersten Buches unserer beiden Autoren möchte ich einige Worte sagen.
Doch zuvor eine Entschuldigung. Der Verleger des Buches bittet um Verzeihung. Sein Nichterscheinen an diesem Abend hat wahrlich nichts mit der Wertschätzung für die Autoren oder dieses Buches zu tun. Das – zumindest hofft er dies – wissen die Autoren wohl. Es ist ihm sogar ein sehr wichtiges Buch, konnte er es doch, vom Ursprung seiner Entstehung bis zur seien endgültigen Fertigstellung begleiten.
Nein, er kann sich nicht spalten, kann nicht auf zwei Buchpremieren gleichzeitig weilen, erscheint ein zweites Buch im Verlag auch am heutigen Tag. Und da dort Unsicherheiten und Hilfestellung einer einzelnen Autorin dort größer sind, muß er sich auf die Premiere einer einzelnen Autorin in Bottrop begeben. Und an seiner Stelle darf ich nun einige seiner Worte zu ihnen sprechen.
Als Verlagskollegin der beiden Eiferts, Herr Eifert  illustrierte mein im Geest-verlag erschienenes Buch ‚Blaue Zitronen‘ und  trug wesentlich zum Erfolg des Buches bei, kommt mir die gern wahrgenommene Aufgabe zu, einige Worte zu sprechen, die Herr Büngen formuliert hat (das kann du aber auch weglassen, ich lege da keinen Wert drauf).

.Literatur, so formuliert Walter Benjamin, ist ein Prozeß der Veränderung. Eine Veränderung zwischen Autor und Leser im Rahmen des gesellschaftlichen Gefüges. Gerade bei diesem Buch ist mir dies in verschiedensten Momenten noch einmal sehr deutlich geworden.
Dieses Buch stand keinesfalls als eine fertige Sache von Beginn an. Vor einem halben Jahr stand eigentlich noch nicht viel mehr als die Idee des Buches.
Doch bereits die Idee des Buches veränderte die Autoren. Aus war es mit der Ruhe. Hektische Betriebsamkeit kehrte ein. Das Schreiben, ja ich behaupte, auch das Leben   bekam neuen Antrieb. Gedanken wurden weiter ausgesponnen, neu formuliert, noch einmal überarbeitet, gemeinsam diskutiert, kritisiert verbessert.
Ein erster Veränderungsprozeß in zweifacher Weise. Zum einen eine Veränderung gegenüber dem eigenen Erlebten. Beide Eiferts verarbeiten natürlich in sehr unterschiedlicher Form, in unterschiedlicher Sprache ihr Leben, ihr reichhaltiges Leben. Träume, Hoffnungen, Scheitern, Phantasien, als dies bricht sich in kurzen Erzählungen mit unterschiedlichsten fiktiven  und realen Gestalten in diesem Buch. Gekonnt werden dabei Personen und Figuren gewandelt, verändert. Doch eine radikale literarische Beschäftigung mit dem eigenen Gedachten und  dem Erlebten führt zu Veränderungen. Der Autor verändert sein Bewußtsein von Gesellschaft und von sich selber. Das subjektive Moment des literarischen Prozesses prägt sich aus. Ich habe Gesellschaft erfahren, bündele Erfahrungen, die ich noch einmal reflektiere. Und diese Erfahrungen gebe ich zurück, gebe mein subjektives Empfinden in den literarischen Prozeß, er zu gleich auch immer ein gesellschaftlicher ist. Das Buch kommt zum Leser, teilt die Wahrnehmungen mit, bringt das Subjektive in den Prozeß gesellschaftlicher Veränderung ein,  das so Benjamin, subjektive Moment einer neuen Ästhetik.
Und, das zweite Moment, sollte man dies in seiner Bedeutung nicht unterschätzen ist, daß die Arbeit an der gemeinsamen Literatur natürlich auch in ein neues Miteinander unter den Autoren führt, in diesem Fall in eine neues produktives Miteinander, das die literarischen und künstlerischen Ergebnisse weiter vorantrieb. Ein solches künstlerisches Miteinander in der Intensität der Produktion wie bei den Eiferts ist natürlich ein Glücksfall, zumal ein von beiden anerkanntes Gleichgewicht schöpferischer Intenistät herrscht.
  Und ein Veränderungsprozess auf einer dritten Ebene. Aus dem Erfahrungsschatz ihres vielfaltigen künstlerischen und beruflichen Lebens heraus, geben uns beide Autoren literarisch, Georg Eifert zudem mit seinen künstlerischen Arbeiten, die Möglichkeit ein Buch zu entdecken, das den Begriff der  Tunnelfahrten  trägt.   Tunnel  das  bedeutet  Dunkelheit, Ängstlichkeiten, spärlich erleuchtete Möglichkeit, sich an einem Weg zu orientieren. Zugleich bedeutet der Tunnel immer die Hoffnung auf ein Ende. Das Ende des Tunnels mit einem Licht, das den Ausweg zeigt. Eiferts bewegen sich mit ihren Erzählungen und Gedichten im Dunkel dieser Welt. Beide haben die Wirklichkeit nur zu genau erfahren, Mechanismen der Herrschaft und Unterdrückung, der Ausgrenzung. Doch eigenartig, ihre Geschichten wirken nicht verachtend für das Dunkel gesellschaftlichen Leids. Fast möchte man sagen, ihre Erzählungen zeigen die heitere Gelassenheit auf von Menschen, die wissen, dass der Tunnel immer einen Ausweg bietet. Oder um es in der Sprache der modernen Ästhetik zu sagen. Die subjektive persönliche Zufriedenheit im Miteinander des künstlerischen und persönlichen Prozesses teilt sich dem Leser in einer optimistischen Erzählweise mit, trotz der Darstellung grundlegender Schwächen unserer Gesellschaft. Und das Licht des Tunnels, es ist eben genau jener subjektive Optimismus, den die Autoren offen und versteckt an ihr Publikum senden.
Und damit beginnt ein neuer Prozess literarischer Veränderung. Literatur hat noch niemals gesellschaftliche Veränderung bewirkt. Sie hat immer nur den Prozess der Kritik beschleunigt, hat versucht Prozesse zu beeinflussen. Doch hier stehen wir mit diesem Buch, wie auch mit den Büchern andrer Autoren des Verlages vor einem neuen Prozess. Die Poesie der Literatur wird selber bereits ein Teil des Veränderungsprozesses. In ihrem poetischen Subjektivismus, der persönlich kritischen Zustimmung zur Welt, in ihrem Prozess der Veränderung liegt zugleich die gesellschaftliche Sprengkraft. Der   Subjektivismus, die Entfernung von gesellschaftlichen „ismen" führt zum Aulbruch in eine neue Zukunft, in der das Individuelle seine Anbindung in der Gesellschaft erlebt. Literatur verliert somit seinen instrumentellen Charakter, wird vielmehr Teil der Veränderung.
Ein Buch, in dem wir uns wiederfinden können, ein Buch, das Element einer sich vollziehenden gesellschaftlichen Veränderung ist und vor allem ein Buch, das Mut macht. Wenn es gelingt, dass zwei Autoren auch im fortgeschrittenen Alter ein Buch auf solchem Niveau schreiben, wenn Autoren einen solchen positiven Ansatz menschlichen Miteinanders vermitteln können, dann erscheint der Prozess der möglichen gesellschaftlichen Veränderung, der Weg hin zu einem Großmaß an individueller Freiheit möglich. Und vielleicht ist jener Kuddl Schnööf, Kleinkunst-Preisträger und als Jochen Steffen viele Jahre führender SPD-Politiker, der mit seinen individuellen Positionen stets aneckte, den wir nun in seinem hohen Alter in diesem Buch vorgestellt bekommen, tatsächlich eine Art Symbolfigur dieses komplizierten Weges gesellschaftlicher und zugleich ästhetischer Veränderung. Er ist zumindest für dieses Buch: originell, witzig, ernst und tiefsinnig, voller Andeutungen und Liebenswürdigkeiten, niemals boshaft. Ein Buch, das in manchen Alltag Hoffnung hineinbringen kann, selber Licht am Ende eines Tunnels ist. Auch wenn Kuddl Schnööf, abgeschoben ins Seniorenheim, gelegentlich schon einschläft in den Gesprächen, die Hoffnung verlor er niemals. Und immer wieder erwacht er aufs neue und spricht. Spricht vor allem über die Dinge des Alltags, über das Geschehen der Wirklichkeit, nicht über das Geschehen fiktiver Konstruktionen, auch wenn die Handlung in futuristischen Zukunftsgesellschaften angelegt wird. Niemals gibt dieses Buch fertige Antworten ist immer nur Einleitung eines Denkens, eine Nachdenkens über Notwendigkeiten das Licht des Tunnels sich zu erarbeiten.
Literatur kann wirken, wenn sie sich selbst als Teil des gesellschaftlichen Veränderungsprozesses sieht, wenn sie es selber ist, sich eben nicht instrumentalisieren lässt. Dafür spricht Ihnen Herr Büngen als Verleger seinen besonderen Dank aus, dem ich mich gerne anschließen möchte. Nehmen Sie dieses Bucht nicht als Abschluss eines schöpferischen Lebens, betrachten Sie es vielmehr als Startpunkt eines neuen zweiten persönlichen und auch literarischen Aufbruchs. Mögen Sie noch viele solcher Ausstellungen und Lesungen durchführen, andere Menschen an ihrem gelebten Optimismus teilnehmen lassen.

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