Kaum als Biographie zu bezeichnen
 

Wie war es doch damals, als meine Mutter zu mir sagte:"Mein Lieber, du versackst in deinen Socken." Kein Zweifel, unbegründet war der Vorwurf nicht. Aber meine verkehrsüblich so zu nennende Unart hatte wiederum einen mehr als tiefen Grund. Es war zwar dauernd eine Socke weg von dem Paar, und die Unpaarigen häuften sich. Weshalb jedoch sollte ich in solch einem Haufen versacken? Stimmungsmäßig schon gar nicht, auch wenn ich zu hören bekam: Oh, dieses Gesurks von Socken! Die Sache ist nämlich die. So jedenfalls sahen es die anderen, mit denen ich zu tun hatte-oder immerhin sehr viele: Ist der normale Mensch symmetrisch gebaut, so bin ich ungewöhnlich unsymmetrisch. Schon von weitem erwecke ich den Anschein, mich vom üblichen Maß der Symmetrie zu entfernen. Nun gut, darf man sich nicht einmal auf sein Individuelles etwas einbilden ? Anscheinend nicht.

Rückblickend erkenne ich den Eifer, mit dem man mich allemal wieder los werden wollte. Da setzte man Stolpersteine auf mich an, mit links mittels Erpressung und Bestechung arrangiert, bspw. bei der evangelischen Kirche, wo ich mal arbeitete. Aber nichts mehr davon. Kriminalgeschichten interessieren mich fast gar nicht.

Trotz aller Mißhelligkeiten setzte ich Fett an. Mitbedingt durch eine hin und wieder angestrengte Bemühung, das Rückgrat grade zu halten, bildeten sich in meinem Nacken Falten aus fleischigen Wülsten. Weil ich ab und zu mein Gehirn auf ungewöhnlichen Wegen spazieren ließ, formten sich auch an meiner Stirn respektable Stirnrunzeln. Diese Faltungen wußte ich wohl zu nutzen zur Freude meiner beinahe liebsten Beschäftigung , dem Malen. Ich klemmte kleine Pinsel in die Falten. Diese dienten so als Halter für ein solches nützliches Gerät. Auf die Frage, ob ich denn ein Künstler sei, verhalte ich mich schweigend. Zweifelnde Blicke auf meine Sachen mit dem Beisatz: 'So, so , Sie malen', möchte ich von den Fragenden deutlich bejaht haben. Malen ist für mich nämlich so etwas wie Flagge zeigen. Der Maler gibt keine harten Konturen, sondern tut etwas für weiche Übergänge. Nicht so wie Luthers Donnerwetter: 'Hier stehe ich und kann nicht anders'. Eher wie sanfter Morgennebel. Und doch ein Ärgernis all denen, die klare Verhältnisse mögen.

In einer Stirnfalte klemmt eine Feder . Ich halte es, wie Sie sehen, nicht mit Goethe, der meinte, der Maler solle malen und nicht reden Also , ich komme noch einmal auf das 'Gesurkse' zu sprechen. Da weiß ich gar nicht gut Bescheid: Stammt das Wort vielleicht aus der Gaunersprache, oder kommt es von den Zigeunern? Hat das Jiddische es an uns vererbt? Ich setze einfach mal - so wie man ausprobiert, ob eine Karte es wohl bringt- ich setzte einfach mal auf das Sächsisch- Vogtländische. Eine Zuk ist eine Sau mit vielen Ferkeln. So gesehen deutet'Gesukse' auf Fruchtbarkeit. Wie bei meinen Socken die Auftrennung der Symmetrie eine fruchtbare Vielfalt enthüllt, so vermehren sich auch meine nebengleisigen Vorstellungen. Deren sich vermehrende Realisationen ergeben eine Vielfalt, mit denen eines gewiß nicht zu leisten ist: ein neuer Stil.

Es bleibt mir eine leise Hoffnung, daß am 'Gesukse' meiner Phantasieprodukte diese oder jene Betrachter Spaß finden.
 
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