Vom Zivi im Seniorenheim
Georg Grimm-Eifert

S.92

7.7.02

Wer weiß, wann wir so weit sind, daß wir im Altersheim zu landen haben. Der Sohn eines Bekannten hat seine Erfahrungen dort aufgeschrieben. Er ist in einer Seniorenresidenz untergekommen, die ein Sonderangebot machte. In der Ankündigung war zu lesen:

Hier, bei uns, gibt es für Senioren jeden zweiten Tag eine zweistündige Aussprache bei unserem Zivi- wenn gewünscht.’

Erst einmal mußte sich allerdings ein Zivi einfinden. Ich dachte: ‘Wer weiß, vielleicht ist dieser Job nicht so ganz übel, obgleich manche Bekannten meinten, es wäre doch dumm, sich mit diesen griesgrämigen Alten herum zuärgern; die Haupttätigkeit sei doch das Bettenmachen, Essen bringen, räumen, ect.

Auf das, was mir zunächst einiges zu schaffen machte, hatte mich niemand vorbereitet-nämlich auf den Umgang mit den Ehefrauen der Senioren, die zu Hause geblieben waren . Es ist zweifellos wichtig, daß sie, die Ehefrauen, einen informieren über die Eigentümlichkeiten ihres hier abgegebenen Ehemannes. Ich hätte mir jedoch einen Schlüssel gewünscht, mit dem man das allzu üppige Geplauder der Frau Sisow beispielsweise hätte abblocken können. ‘ Mein Mann’ damit fing es immer an ‘Mein Mann vergrault sich das pulsierende Leben. Er stöbert dauernd in der Vergangenheit. Stundenlang besieht er sich alte Photos und Postkarten. Dann vergleicht er die Matrosenanzüge, die die Jungen angehabt haben. Er beobachtet, daß sogar Mädchen solche Anzüge trugen. Er hat schließlich Puppen gefunden in alten Katalogen, die ebenfalls Matrosenanzüge anhatten. “Ja, und -entschuldigen sie , Frau Sisow , aber bis dann und dann muß ich noch das und das erledigt haben.”

Ich will ja gar nicht leugnen, daß es manchmal recht aufschlußreich ist, wenn man als Zivi etwas erfährt über die Interessen der anvertrauten Senioren. Man freut sich schon halbwegs, wenn die Aufzählung der Mängel und der Vorzüge sich die Wage halten in dem Bericht der Ehefrauen.

Mit ihrem quicklebendigen Enkel an der Hand kam eine Frau , die mir erklärte: “Ach ja, ich wäre doch sehr froh, wenn ich meinen Mann für zwei Wochen bei Ihnen einquartieren könnte. Ich will nämlich eine Reise machen und kann meinen Mann weder mitnehmen noch zu Hause lassen. Sein Kurzzeitgedächtnis. Falls er vergißt, die Herdplatte abzustellen, kann das ganze Haus abbrennen. Aber auf Landkarten kennt er sich gut aus. Mit dem Handy weiß er auch umzugehen. Vor einiger Zeit kurvte ich mit meinem Wagen rund um München. Es hatte mir jemand die Kirchenfassade von Fürstenfeldbruck als Sehenswürdigkeit empfohlen. Mein Mann gab mir gleich den Tipp:”Fahr nach Freising auf das Plateau vor dem Dom. Von dort hast Du einen herrlichen Blick über die ganze Ebene.”